Habe seit längerem kaum noch Zeit und schaue deshalb sehr viel seltener herein als sonst ...
Dennoch wollte ich dem Thema der Überschrift folgend einmal ein paar Überlegungen zur Diskussion stellen:
webOS
Das JETZT
Ja, webOS ist das derzeit interessanteste Betriebssystem für mobile Systeme mit dem technisch modernsten
Ansatz am Markt.
Dazu beherrscht es konkurrenzlos elegantes Multitasking, lässt sich mit Abstand am ergonomischsten bedienen
und setzt auf offene Web-Standards. Auch die entwickelte GUI ist attraktiv(er) und vielseitiger als die anderer
Systeme.
Das ändern auch keine anderen Glaubensbekenntnisse!
>> Doch wohin steuert der webOS-Kreuzer? Ist der Traum 'webOS' bereits ausgeträumt bevor die große Fahrt beginnt? <<
Eine kritische Betrachtung:
Was war?
- Anfang 2009 gab es einen für Ideen offenen Markt mit einer ausreichend großen kritischen Masse für die
Akzeptanz eines neuen Smarthone-Konzeptes. Der Mitbewerb (Nokia, MS, RIM etc.) hatte, mit einer Aus-
nahme (Apple), entweder 'die Zeit verpasst' oder es gab ihn noch nicht mit nennenswerter Marktmacht
(Google). - In diese Situation hinein wurde ein neues Konzept vorgestellt, das gemessen an der Größe des Anbieters
(Palm) für vergleichsweise viel Aufmerksamkeit sorgte. Dies wurde mit einer großen Markteinführungs-
kampagne und Providerunterstützung unterstrichen.
verpasste Chance(n)
- Palm reüssiert mit einem Produkt, welches durch die Qualität der Hardware und des Zubehörs viel Kritik
erfährt und reagiert stümperhaft und dilettantisch zudem überbürokratisch auf zu recht erfolgte Kunden-
beschwerden. - Palm überlässt die gerade für einen Underdog notwendige Imagearbeit komplett dem Provider.
- Der in Deutschland zuständige Marketingstatthalter schwänzt einen anderen Beruf und ist wortwörtlich im
Kundenvertrieb tätig! - HP schließt nahtlos an die Marketingdesaster an und hat in der Zeit nach der Übernahme Palms jegliche
einer Positionierung und Vermarktung zuträgliche Marketingarbeit versäumt und bestehende wie mögliche
Neukunden als auch den Markt der Drittanbieter informationslos sich selbst überlassen. - Das spärlich weiter entwickelte Modell Pré 2 erhält über die nur von Eingeweihten bemerkte Markteinführ-
ung in Frankreich hinaus keine Ankündigung einer Vermarktung auf anderen Zielmärkten. - Eine seit einem Jahr angekündigte Flash-Unterstützung ist noch immer nicht verfügbar. Ob sie je für Syste-
me mit webOS > oder auch < 2.0 angeboten wird ist äußerst zweifelhaft. - Die Innovationszyklen von Palm, nun HP, unterliegen einem Tempo, dass der Mitbewerb nahezu zwangsläufig
in spätestens zwölf Monaten alle entscheidenden Features von webOS übernommen hat, wenn sie nicht au-
genblicklich ihre eigenen Entwicklungen einfrieren. - webOS ist noch immer eine Insellösung für die keine übergreifende und schlüssige Produktivitätsstrategie i.S.v.
Workflow von Smartphone über Workstation bis zum Server/in die Cloud und zurück(!) definiert wurde. - Die grundsätzlich begrüßenswert offene Systemarchitektur wird durch künstliche Programmierbarrieren (kein
Zugriff auf Kalender-, Datenbank- und Systemdateien, sowie kein Erstellen von Dateien aus Anwendungen her-
aus und eingeschränkter Zugriff auf Dateisystemstrukturen) verunreinigt, womit es Drittanbietern schwer bis
unmöglich gemacht wird die vorhandenen Funktionalitätslücken zu schließen. - Es wurde verabsäumt das positive Echo aus der weltweiten Entwicklergemeinde zu einer nachhaltigen Solidari-
tät zu entwickeln und sich damit und über die technisch positiven und attraktiven Eigenschaften des Systems
vom Mitbewerb zu differenzieren. - Als Anbieter mit diesem finanziellen Background und gleichzeitig proklamiertem Anspruch dem Produkt mit dem
damals größten Marktmomentum den Rang ablaufen zu wollen ist es reine Arroganz nicht umfangreiche Allianzen
mit Anbietern von Produkten (SW) plattformentscheidender Bedeutung zu begründen.
Bekannte Größen wie SplashData und DataViz aber auch andere beklagten sich immer wieder über mangelnde
Unterstützung. Die Reaktion auf die Probleme eines langjährigen Partners wie MotionApps unterstreichen die
Glaubwürdigkeit dieser Aussagen.
Fehlentscheidungen
- HP hat, durch welche nicht erläuterten Gründe auch immer, die für Viele wichtige und Pro-webOS-Argumente
liefernde Classic-Unterstützung in webOS verloren/verspielt und damit spürbaren Unmut unter den Anwendern
verursacht. Somit bleibt für Anwender die Entscheidung, ob sie weiterhin die Classic-Unterstützung nutzen oder
aber Flash einsetzen wollen. Wie damit eine Steigerung der Attraktivität der Plattform webOS erreicht werden
soll ist nur schwer nachzuvollziehen. - Keine Office-Anwendung für webOS < 2.0. (Ja, das ist HP bzw. Palm zuzurechnen!)
- Mit einem auf Cloud-Technology und Synergy basierenden Ansatz einen kompletten Neuanfang zu wagen war
richtig, notwendig und völlig korrekt. Dabei jedoch zu vergessen, dass die Technik und Theorie kein Selbstzweck,
sondern Vehikel von Lösungen sein muss wurde darüber komplett 'vergessen'. Ein Smartphone ist noch immer ein
Werkzeug welches zumindest ein Teil seiner Benutzer zur Steigerung ihrer Produktivität einsetzen (wollen).
Ein vernünftiger Kalender mit wenigstens der Basisfunktionalität des Vorgängerbetriebssystems, eine verlässlich
funktionierende Uhr etc. pp. müssen dabei zur Grundausstattung gehören. Dazu nicht in der Lage sein (zu wollen)
und es gleichzeitig Drittanbietern technisch unmöglich zu machen in die Bresche zu springen ist mehr als nur kurz-
sichtig.
Unternehmensführung
- Die Übernahme von Palm seitens HP wurde von CEO Hurd initiiert, der die sehr erfolgreiche Strategie von HP in den
vergangenen 5 Jahren entwickelte, diese auch gg Widerstände durchzusetzen vermochte und für die webOS-Strategie
verantwortlich zeichnete.
Was muss man von einem Board of Directors und dessen möglichst nachvollziehbaren Strategien halten, das sich von
einem solchen Mann - der das Unternehmen erst zum größten Hardwarehersteller der Welt machte(!) -, trennt, weil
er ein paar Dollar Spesen falsch abgerechnet hat und eventuell den eigenen - ohnehin geheuchelten und überholten -
Moralvorstellungen nicht als Beispiel dienen kann? Als sei das alles noch nicht genug, kauft es als seinen Nachfolger
jemanden ein, welcher andernorts wg unhaltbarer Schlechtleistung gefe*ert (nein, gefeiert war's nicht) wurde.
Diese ganze Aktion kostete und kostet sicherlich > $ 70 Mio!!!
Niemand übernähme wohl gerne die Rolle desjenigen, der dies einem Anwender erläutern soll, dessen defekter Akku
zum geschätzten Einkaufspreis von < $ 2,- nicht auf Kulanz ersetzt wird, weil darauf grundsätzlich keine Garantie ge-
geben wird. Vom umfassenden und bis heute stillschweigend ignorierten Touchstone-Desaster ganz zu schweigen! - Jede weitere Strategie von HP bezüglich webOS liegt weitgehend im Dunkel. Allein die angestrebte Verwendung als
Druckerinterface und ein halboffiziell angekündigtes PalmPad gelten als bekannt. Damit ist nicht nur für die Anwender
eine künftige Produktentwicklung ungesichert, vielmehr wird Unternehmen die betriebswirtschaftliche Basis für eine
Investition in diese Plattform genommen, was zu weiterer Unsicherheit der Anwender führt, welche weitere ...
Was ist?
- webOS 1.4.5 mit Overclock ist nicht langsamer als webOS 2.0 auf Pré 2 - siehe "webOS 2.0 Speed Test vs overclocked
Pre Plus" auf Youtube. - keine nennenswerten Vorteile bei Prè 2 ggü. Vorläufer erkennbar: gleiche Auflösung, gleicher Haupstspeicher, gleiche
Akkukapazität etc.
Was wird?
- Eine Vermarktung geschieht mangels eigener Vertriebsstrukturen derzeit ausschließlich über Provider, dabei sind jedoch
keine Absichten hiesiger Telkos kommuniziert oder erkennbar, künftige Produkte in ihr Portfolio aufzunehmen.
Damit steht ein definierter Vermarktungsweg NICHT zur Verfügung! - Wie sich ein Produkt, zumal ein strategisches, weil Basis für eine potenzielle Produktreihe, am Markt etablieren lässt,
ohne es zum Verkauf anzubieten weiß derzeit unterstellt nicht einmal HP.
Marktentwicklung & Mitbewerb
- Der wichtigste Anbieter von Office-Anwendungen (DataViz) lieferte zunächst, obwohl lange angekündigt, ein Jahr
gar kein Produkt und hat mittlerweile, da von einem der schärfsten Mitbewerber übernommen, sein webOS-Engage-
ment komplett eingestellt. Für nahezu alle anderen Plattformen ist und bleibt es verfügbar! - Das gerade vorgestellte Pré 2 wird wohl frühestens zum Sommer 2011 einen auf neuerer Technik basierenden
Nachfolger erhalten und dieser kaum vor Herbst 2011 eine nennenswerte Verfügbarkeit am Markt erreichen.
Mögliche Vermarktungswege sind dabei bislang völlig unbekannt.
Bis zu diesem Zeitpunkt werden jedoch die größten Mitbewerber Apple, Google & RIM ebenfalls die nächste und noch-
mals weiter entwickelte Gerätegeneration auf den Markt gebracht haben. - Die entscheidenden Köpfe hinter webOS, einerseits Matias Duarte, der mittlerweile unter Google-Flagge segelt und
andererseits Rich Dellinger, der bei Apple an Bord gegangen ist, werden ihre Heuer verdienen und rechtfertigen (müs-
sen). Zum Nutzen der Anwender DIESER Plattformen.
Conclusio
Hat der webOS-Kreuzer noch Fahrt?
Derzeit scheint er eher auf Grund zu liegen. Wenn nicht noch eine unerwartet starke Flut kommt gerät er wohl kaum noch frei
und erhält damit die Chance noch Fahrt aufzunehmen.
Nein HP, ein havariertes Schiff welches durch einen nicht selbst verursachten Seegang mitgespült wird befindet sich _nicht_ auf
Fahrt, schon gar nicht auf großer!
Ja, auch hier ändern gegenläufige Glaubensbekenntnisse nichts!
Zusammenfassend möchte ich sowohl einem von mir sehr geschätzten Forenmitglied ("Es kommt nicht darauf an, was vorliegt,
sondern darauf, wieviel Geschiss man darum macht.") und einem gewissen Science-Officer mit spitzen Ohren beipflichten, der
da sagte:"The universe will unfold as it should." Vielleicht mache ich mir einfach zu viele Gedanken ...
In diesem Sinne!
Mit rationalen Grüßen
logic(palm?)
P.S. Da ich ohnehin mehr als ein Mobiltelefon im Einsatz habe, werde ich ein Pré plus weiterhin benutzen. WebOS ist einfach
zu schön. Aber das Träumen von einer Version > 2.0 verschiebe ich oder überlasse es gleich anderen ...